Vespolina

Vespolina, meint Ian d’Agata, dessen Buch über italienische Rebsorten jedem Weinliebhaber ans Herz gelegt sei, ist eine der besten Rebsorten Italiens, „a thing of beauty“. Das sind große Worte für eine Rebsorte, die kaum jemand kennt. 

Vespolina stammt aus dem Norden des Piemonts und wurde und wird quasi ausschließlich dort angebaut. Die Gegend im Schlagschatten der Alpen zeigt mittlerweile zwar immer öfter wieder, was in ihr steckt, hatte allerdings nach den Vernichtungsfeldzügen der Reblaus eine schwere Identitätskrise zu durchleben. Weinbau, und mit ihr Vespolina, war nicht mehr, wie einst, Zugpferd unter den Wirtschaftszweigen, sondern die Nebenbeschäftigung von Menschen, die tagsüber in den Industrien piemontesischer Großstädte oder in den Reisfeldern der Ebene um Vercelli arbeiteten. 

Erst in den letzten beiden Jahrzehnten ging es wieder bergauf, was viel mit den großen Erfolgen des Barolo und Barbaresco und damit einhergehend des Nebbiolos zu tun hatte… womit wir beim nächsten Grund für das Schattendasein des Vespolina sind: Nebbiolo ist auch in Bramaterra, Lessona, Ghemme usw. die unumschränkte Nummer eins unter den Rebsorten und auch wenn ihm Vespolina dort in fast allen Weinen beigemischt wird, kommt sie für gewöhnlich nicht über eine Nebenrolle hinaus. 

Was zum einen Schade, zum anderen aber auch gut so ist. Denn dank der Vespolina gewinnen die im Norden gekelterten Nebbiolo-Cuvées an Finesse und Aromen, werden vielschichtiger und anspruchsvoller, expressiver und runder. 

Andererseits zeigen seit kurzem auch ein paar Winzer wie spannend Vespolina ganz für sich alleine ist. Vom Körper her in der Mittelgewichtsklasse anzusiedeln, besticht sie vor allem mit Aromen, die denen von Nebbiolo recht ähnlich sind (Rosen, rote Beeren, balsamische Noten…), jedoch noch Rosmarin, Majoran und viel Pfeffer dazu addieren (sowohl Vespolina wie auch alle drei Gewürze besitzen ein Aromamolekül namens Rotundon).  Vespolina hat zupackende Tannine, weshalb die meisten Winzer (unter ihnen auch Colombera & Garella) dazu tendieren, mit eher kurzen Maischestandzeiten (6-8 Tage) und nicht allzu hohen Gärtemperaturen (ca. 28°C) zu arbeiten. Kleines Holz behagt ihr nicht, weshalb sie vorwiegend in größeren Holzgebinden oder in Stahltanks ausgebaut wird.