Timorasso
Timorasso ist eine alte Sorte und dabei doch ein neues Phänomen. Bevor die Reblaus ihr Unwesen in den Weinbergen Italiens trieb, war sie vor allem im Südpiemont, in der Südlombardei und selbst in der Region um Genua weit verbreitet. Weggefressen von dem mikroskopischen Insekt, war ihr danach eine Auferstehung fürs Erste nicht gegönnt.
Ein Grund dafür wird wohl der gewesen sein, dass sie im Weingarten nicht besonders pflegeleicht war: Im Frühjahr verrieselte sie gerne und im Herbst wuchsen in ihren Trauben nicht nur unterschiedlich große Beeren, sie reiften auch oft noch zu unterschiedlichen Zeiten. Die Reblaus war folglich ein willkommener Anlass, sie einfach zu vergessen. Doch passierte das Vergessen glücklicherweise nicht kollektiv: Speziell in den Colli Tortonesi, einer bis heute tief bäuerlich geprägten Region, ignorierte man das Ignorieren und setzte weiterhin auf die eigenwillige Sorte. 1929 bestockten beispielsweise Carlo und Clementina Ricci ihre Weingärten in San Leto mit Timorasso, aus denen ihr Enkel Daniele heute einen Weißwein keltert, auf den sie mit Sicherheit stolz sein würde.
Die stabile Achse des Timorasso ist seine Säure, weshalb ihn manche Kritiker recht voreilig mit Riesling vergleichen. Doch zum einen wirkt die Säure sensorisch anders, zum anderen kann man die fruchtige Aromatik des Rieslings im Timorasso lange suchen. Dafür finden sich Mandeln, weiße Blüten, Kräuter und eine Menge Steine. Behutsam vinifiziert (gesunde Beeren, spontan vergoren und mit Geduld in großen Holzfässern ausgebaut) reift Timorasso über Jahre und Jahrzehnte.