Maria & Sepp Muster
25 000 Stöcke stehen in den Rieden von Sepp Muster und er kennt sie alle. Ein paar jüngere, „für die nächsten Generation“, und vielmehr alte, an denen sein Herz hängt. „Alte Stöcke haben mehr Substanz, alles was über 20 Jahren alt ist, wirkt kompakter und vielschichtiger", erklärte er uns einmal. Damit Reben in Würde alt werden können, braucht es allerdings auch ein entsprechendes Umfeld.
Sepp und seine Frau Maria sind in den 1990er Jahren weit gereist, haben sich in der Welt umgeschaut, damals kaum bekannte Bewirtschaftungsmethoden studiert und Seminare für alternative landwirtschaftliche Herangehensweisen besucht. Früher als andere in der Steiermark haben sie dann vor gut 20 Jahren die mutige Konsequenz gezogen, den konventionellen Weinbau hinter sich zu lassen. Das tiefe Verständnis, dass die beiden seither für ihre Umgebung entwickelt haben, lässt sich am besten in ein paar Zitaten wiedergeben, die man etwas ausführlicher auch auf ihrer Webseite nachlesen kann.
„Die Erde ist der Boden unserer Geschichte, das Land unserer Vorfahren und das Feld unserer Erfahrung. Aus ihr erwächst das Vertrauen in die Natur, und damit der Mut, starre Denkmuster hinter sich zu lassen, und sich den wirklich wichtigen Dingen zuzuwenden. Ein Prozess, der mit einem Aufwachen begann, und der über die Zeit aus dem bloßen Zulassen, ein Verstehen und bewusstes Annehmen gemacht hat.
Rein geologisch betrachtet besteht unser Boden aus tonig schluffigen Sedimenten und einem kalkhaltigen Untergrund aus Mergel, den man in dieser Gegend “Opok” nennt. Er bildet die Basis für warme und kristalline Weine. Darüber hinaus ist der Boden unsere Zukunft, und die unserer Kinder. Ihn in einem intakten Zustand an die folgenden Generationen weiterzugeben ist unsere größte Verantwortung. Den Weingarten betrachten wir daher als lebendigen Organismus. Alles was wir tun, dient dazu, die Vitalität von Boden, Pflanzen und Tieren zu erhalten.“
„Auf diese Art und Weise entstand über die Jahre ein dichtes System, in dem weniger genug ist, und in dem wir gelernt haben die Zeichen der Natur zu deuten. Wir erinnerten uns an unsere Zeit in Indien und Australien, an unsere erste Begegnung mit der biodynamischen Landwirtschaft und unserer bedingungslosen Suche nach dem Lebendigen. Im Boden, in der Pflanze und letztlich auch im Wein. Das zu fördern und zu erhalten ist worauf es uns ankommt. Dabei beobachten wir jede Veränderung in der Natur, unterstützen sie und bleiben damit in Bewegung.“
"Die Vitalität und das Wachstum der Rebe unterstützen wir durch biodynamische Präparate und das Ausbringen von Tees aus pflanzlichen, mineralischen und tierischen Substanzen. Die Natur liefert uns dann mit kleinbeerigem und hocharomatischem Traubenmaterial die Basis für charaktervolle und komplexe Weine."
Die Musters düngen nicht, auch nicht mit Kompost (natürliche Ertragsreduktion) und begrünen nicht („Die Natur kommt ohnehin von selbst. Das was wächst, wächst dann ohnehin stark.“).
Sepp fährt so selten wie möglich mit dem Traktor durch die Weingärten (Bodenverdichtung), mäht so gut wie nie und mulcht zweimal im Jahr. Seine Reben wachsen an Kastanienholzpfählen in sogenannter Umkehrerziehung, ein kaum noch praktiziertes System, in dem der Stock auf 1,80 Meter Höhe auf einem einzelnen Draht waagrecht weitergeleitet wird. Diese Fähigkeit des Loslassens erfordert zum einen eine kaum mehr erlebbare Akzeptanz und ein immenses Vertrauen in tradiertes Wissen und die Abläufe der Natur, zum anderen auch eine Gelassenheit, die selbst geerdete Biodynamiker nicht oft an den Tag legen. „Ich strebe gar nichts an“ … und „ich nehme das, was kommt“, sind dann auch Sätze, die Musters Selbstverständnis und Selbstbewusstsein in seine Arbeit perfekt wiedergeben.
Das Konzept der Minimalintervention setzt sich auch hinter der Kellertür fort: „Im Allgemeinen rebeln und quetschen wir und dann fallen die Trauben durch eine Dachöffnung direkt in die Presse. Nach dem Pressen wird der Most in sein Gärgebinde transferiert und da bleibt er dann ungefähr für ein Jahr. In diesem einen Jahr tue ich eigentlich nichts, außer, dass ich den Wein von Zeit zu Zeit koste.“ Danach wird der Wein einmal umgezogen, minimal geschwefelt (10-15mg/L) und dann passiert ein weiteres Jahr wenig bis nichts. Nach ca. zwei Jahren werden die Weine gefüllt, ohne davor gefiltert worden zu sein. Rotweine bleiben eventuell etwas länger im Fass. Und Fässer sind es immer. Stahltanks werden nur als Gebinde für die Assemblage verwendet.
Worauf man sich bei den Weinen einlässt, kann man auch schon anhand der Etiketten ablesen. Für die Opok-Linie wählten die beiden einen grünen Hintergrund, da die Weine vor allem Kräuteraromen in die Nase befördern. Die Graf-Linie ist in warmen Brauntönen gestaltet, eine Verweis auf die Erdigkeit und Gelbfruchtigkeit der Weine, die mazerierten Weine haben ein rotes Etikett - Ausdruck, der Orangen- und Beerenaromen und letztlich auch der Farbe der Weine. Die Namen ihrer Weine, Opok, Graf (der Name des Hofs, in dem die Familie lebt und arbeitet) und Sgaminegg sind übrigens Fantasienamen: Da die Muster-Weine als Landweine deklariert sind, dürfen sie den Lagennamen, in dem Fall die Großlage Schlossberg nicht auf das Etikett schreiben. Auch wenn sich die Musters vermutlich längst daran gewöhnt hat, ist die Situation absurd. Seine Weine spiegeln so präzis wie wenig andere die Traditionen und die natürlichen Voraussetzungen der südlichen Steiermark wieder und werden seit Langem in den besten Restaurants der Welt ausgeschenkt, eine Prüfnummer würden sie, aufgrund ihrer Individualität und der verquerten Vorstellung wie steirischer Wein heute zu sein hat, allerdings trotzdem nicht bekommen.
Die Weine vom Weingut Muster