In italienischen Städten: Reggio Emilia

In italienischen Städten: Reggio Emilia

Reggio Emilia ist die am am wenigsten bekannte unter den Provinzhauptstädten der Emilia. Das Zentrum ist nett aber klein und obwohl es Ausstellungen und Festivals quasi im Monatsrhythmus gibt, besuchen sie nur wenige Touristen. In der Mitte zwischen Parma und Modena gelegen, mangelt es Reggio an der profunden Identität und Geschichte der anderen beiden Städte, dafür spielt sie in Sachen Kulinarik und Wein mindestens in derselben Liga. 

Wichtigstes Produkt von Reggio Emilia (und Provinz) ist ganz sicher Parmesan. Der auf Deutsch etwas verkürzte Name des wichtigsten Käses der Region (des Landes?, der Welt?) heißt auf Italienisch Parmigiano Reggiano – womit seine Bedeutung etwas deutlicher wird. Prosciutto spielt ebenfalls eine wesentliche Rolle.

Dem steten Fokus auf diese beiden kulinarischen Wahrzeichen der Stadt, verdankte sich die Geburt des dritten: dem Lambrusco. Wein wurde von den Bauern der Gegend zwar als Teil einer gemischten Landwirtschaft ebenfalls hergestellt, spielte aber in ihrer Hierarchie nur eine untergeordnete Rolle. Zuerst kamen für die Landwirte das Vieh und die Milchproduktion. Die Trauben wurden immer erst dann gelesen, wenn alles andere erledigt war. Man vergor ihn, wenn sich bereits kalter Nebel über die Hügel legte und füllte ihn auch baldmöglichst ab, da man im Winter Zeit dazu hatte. In der Flasche gärte er dann zu Ende und bildete neben Alkohol auch Kohlendioxid, das für die Perlen und das Prickeln des Lambrusco verantwortlich ist. 

Gallische Dörfer

Heute ist Reggio Emilia neben Modena die spannendste und dynamischste Region, wenn es um die Produktion von in der Flasche vergorenen Lambrusco (sogenannten Rifermentato) geht. Der bildet nur eine kleine Nische in der Welt des roten Schaumweins, doch immerhin eine, die im Laufe der vergangenen 15 Jahre gewachsen ist. Mittlerweile nehmen es rund 50 Weinbaubetriebe mit einer Industrie auf, die durch eine fatale Immer-Billiger-Strategie und damit verbunden einer invasiven Landwirtschaft sowie einer jegliche Tradition ignorierenden Vinifikation die Reputation des „Nektars der Götter“ (Francesco Guccini) in Grund und Boden gefahren hat. Der banalen Idee der Vereinheitlichung einer eigentlich komplexen Rebsortenfamilie setzen sie ein Repertoire der Vielfalt entgegen.  

Lambrusco ist nicht gleich Lambrusco

Lambrusco ist – wie beispielsweise auch Malvasia, Moscato oder Trebbiano – ein Rebsortenfamilie. Sie besteht heute aus rund 20 unterschiedlichen Mitgliedern – vor 200 Jahren waren es doppelt so viele. Wie viele es vor 2000 Jahren waren, steht in den Sternen – Fakt ist jedoch, dass es die Lambruscofamilie damals bereits gab, was sie zur vermutlich ältesten Italiens macht. Es war also genug Zeit vorhanden, um sich – bei allen genetischen Übereinstimmungen, die es gab und gibt – entsprechend auseinander zu entwickeln. Lambrusco ist heute ein Sammelsurium an Rebsorten mit ganz eigenen morphologischen, physiologischen aber auch sensorischen Attributen. Zwischen Lambrusco Sorbara und Lambrusco Grasparossa – um die beiden wichtigsten Vertreter der Familie zu nennen – bestehen ungefähr so viel oder besser gesagt wenig Ähnlichkeiten wie zwischen Vernatsch und Aglianico. 

Lambrusco rund um Reggio Emilia

Auch wenn es in der Ebene nördlich von Reggio Emilia eine nicht unwesentliche Produktion an Lambrusco gibt, ist die eigentlich interessante Zone jene, die sich südlich der Stadt gelegen über sanfte Hänge in den höheren Apennin hochzieht. Dort findet sich unter anderem auch das Weingut von Ca’ de Noci, das bezüglich seines Rebsortenspiegels repräsentativ für die ganze Gegend steht. Geerntet werden dort unter anderem die Lambruscosorten Grasparossa (dunkelfruchtig, saftig, strukturiert, langlebig) und Montericco (filigrane Frucht, wenig Alkohol, hohe Säure, exzellent in Cuvées) sowie in minimalen Mengen auch Marani (floral, gute Säure, Kirschen) und Maestri (rustikal, kräftig). 

Malbo Gentile, Sgavetta und Spergola

Abseits von Lambrusco hat Reggio Emilia noch einige andere hochspannende Rebsorten zu bieten. Malbo Gentile straft mit seinem kaum zu bändigendem Tannin und festem Körper seinem Namen (gentile bedeutet auf Deutsch „nett“ und „freundlich“) Lügen, kann aber in den richtigen Händen und nach geduldigem Ausbau zu einem komplexen und temperamentvollen Rotwein werden. 

Die rote Sgavetta verfügt über gleichfalls beste Voraussetzungen, um aus ihr exzellente Weine zu keltern. Sie hat festen Gerbstoff, eine lebhafte aber nicht zu intensive Säure und ein breitgefächertes, von dunklen Beeren und Blütennoten geprägtes Aromaprofil.

Richtig groß und viel zu wenig bekannt ist die weiße Spergola. Mit einer Aromatik, die klassisch vergoren an weiße Blüten erinnert, punktet sie auf der Maische vinifiziert auch noch mit Orangennoten und Gewürznelkenaromen. Dank ihrer animierenden und lebendigen Säure eignet sie sich formidabel für Schaum- und Süßweine. Den Sprung aus ihrer lokalen Umgebung hat die Sorte trotzdem nie geschafft – es gibt sie heute ausschließlich in der Nähe von Reggio Emilia und dort vor allem bei Ca’ de Noci, das ihr mit der Riserva dei Fratelli Jahr für Jahr ein beeindruckendes Monument widmet.

Essen & Trinken in Reggio Emilia

Sollte sich jemand nach Reggio verirren oder tatsächlich gezielt dorthin aufbrechen, gibt es eine kleine aber feine Auswahl an Restaurants und Bars, in denen sich feines Essen mit ebensolchem Naturwein kombinieren lässt.

Enoteca Vino Naturale Durante: Alteingesessen, eine der besten und bekanntesten Naturweinbars der Emilia (Via del Guazzatoio 12a)

Casafrida: Netter Ort mit tollen Weinen und sehr gutem Essen, quasi im Stadtzentrum (Via Guido Panciroli 1a)

Interno Tre: Beeindruckend gute vegane Küche mit exzellenter Weinauswahl (Via Blasmatorti 1c)

Macramè: Gehoben traditionell, mit ein paar feinen Weinen auf der Karte (Via Francesco Crispi 3)

 

Sehr schön ist auch die Trattoria della Torre in San Polo d’Enza, ein paar Kilometer südwestlich von Reggio. Dort gibt es traditionelle Kost und Weine, wie man sie sich wünscht.


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