Ca' de Noci ist mitten ins Nichts gebaut, 25 Kilometer südlich von Reggio Emilia, dort wo der Apennin langsam in die Po-Ebene ausläuft. Walnussbäume säumen die Zufahrt zum Weingut und erklären zugleich seinen etymologischen Ursprung: Das Haus der Nussbäume. Bei unserer Ankunft werden wir dort von Alberto und Giovanni Masini begrüßt. Die beiden Brüder gehören, wenn man so will, zur klassischen Avantgarde der Emilia. Sie opponieren seit 1993, dem Jahr, in dem sie das Weingut von ihrem Vater übernommen haben. Seitdem gelten sie als die Referenz für hochwertigen Naturwein in der Region. 

 


 

Alte Reben

Unser erster Weg führt in die Weingärten, die unmittelbar rund um den Hof liegen. Hier stehen auf einem der insgesamt fünf Hektar ausschließlich weiße Reben. Es sind alte Spergolastöcke – in einer Erziehungsform, die wir so zuvor noch nie gesehen haben: mächtige, riesenhafte Cordons mit einer unfassbaren Länge von bis zu sechs Metern. „Spergola“, meint Alberto, „hat eine natürliche Säure, die sie für Schaumweine prädestiniert.“ Es ist aber nicht nur die Säure, die Masinis Spergola so wertvoll für hochwertigen Sprudel macht. Die Weine aus diesen alten Reben besitzen schlichtweg auch eine beeindruckende Substanz. Nachvollziehbar wird das beim Verkosten der Riserva dei Fratelli – einem der großen Spumante-Monumente Italiens. Nach kurzem Schalenkontakt während der Gärung und spontaner Zweitgärung in der Flasche verbleibt der Wein für fünf Jahre auf der Hefe, bevor er degorgiert als Brut Nature auf den Markt kommt. Druck korrespondiert hier mit Struktur, Tiefe mit Frische. 

Als wir nach der Runde draußen den Keller betreten, kommt uns angenehme Kühle entgegen. Nach einer relativ frühen Lese werden die Trauben in 10 Kilo Kisten hier hereingebracht, danach wird gequetscht, mazeriert und spontan vergoren. Die konstanten 15° C erweisen sich dafür als ideal. Die Weine landen je nach Intention in verschiedenen Gebinden, wobei Holz, Beton und Stahl zur Auswahl stehen. Das war es dann auch, den Rest erledigt die Zeit. Zusätze fügen Alberto und Giovanni ihren Weinen nicht hinzu.
 

Natürlich auch Lambrusco

Auf einem Tisch im Keller stehen Weinflaschen und Gläser. Die Dramaturgie des Weingutbesuchs nimmt ihren klassischen Lauf. Nach der Führung durch Weingarten und Keller werden nun die daraus resultierenden Ergebnisse verkostet.

Neben weißem Sprudel machen die beiden Brüder natürlich auch Lambrusco. Sie gehören quasi zu den Hauptprotagonisten, die schon früh damit begonnen haben, dem roten Frizzante seine verloren gegangene Würde zurückzugegeben. Das machen sie etwa mit dem Sottobosco. Die Basis bilden zwei Lambruscospielarten, Grasparossa und Montericco, dazu kommen mit Malbo Gentile und Sgavetta, zwei weitere Rebsorten, die es nur in ihrem lokalen Umfeld gibt. Der erste Ausbau findet im Beton statt, die Zweitgärung in der Flasche. Neben der Flaschengärung sind weitere gravierende Unterschiede zu industriellen Lambruscovarianten der geringe Hektarertrag (4.000 statt 20.000 Kilo), die akribische Handlese sowie der Verzicht auf jegliche Additiva – kurz die Intention, aus ihren Beeren nicht irgendein  Billigprodukt für Supermarktketten zu produzieren, sondern einen Wein, der Trinkfluss und Lebendigkeit mit Tiefe und Charakter kombiniert. Restzuckerkonzessionen werden keine gemacht. 
 

Wirklich Rares

Dann gibt es noch den Tre Dame. Auf dem Etikett steht der eventuell nicht ganz ironiefreien Satz lesen: „Vino Frizzante da rifermentazione in bottiglia ottenuto dalle vigne di Sgavetta e rare varietà autoctone…“.  Auf Deutsch heißt das: „Ein durch Zweitgärung in der Flasche entstandener Frizzante aus Sgavetta und raren, autochthonen Sorten…“ Und Sgavetta? Kennt jemand tatsächlich Sgavetta? Außer uns? Die Sgavetta auch nur deswegen kennen, weil wir die Weine von Ca’ de Noci lieben, importieren und verkaufen... In Wirklichkeit ist es sogar so, dass Ca’ de Noci als einziges Weingut weltweit Weine macht, in denen Sgavetta die Hauptrolle spielt. Obwohl der Sorte immer wieder exzellente Qualitäten nachgesagt wurden, war sie selten wirklich populär. Alberto und Giovanni Masini keltern aus ihr neben dem Kyathos del poggio einen Rosé Frizzante, wobei sie die Trauben nach einem Tag Schalenkontakt abpressen, vergären und danach zur Zweitgärung (rifermentazione) in die Flasche füllen. Eine subtile rotbeerige Frucht, Saftigkeit und Frische kennzeichnen diese weitere Weinrarität!

Ein zweiter roter Frizzante ist der Kyathos del poggio aus 100% Sgavetta. Nach einem Ausbau des Grundweins in Amphoren kommt der Wein wie alle Sprudel von Ca’ de Noci für die Zweitgärung in die Flasche. Kirschfrucht, kräuterige Aromen, viel Frische und Tiefe machen den Wein ebenso wie den Sottobosco zu einem herrlichen Speisebegleiter gerade auch in der warmen Jahreszeit.

Neben den schäumenden Weinen gibt es von Ca’ de Noci auch zwei Stillweine. Der weiße Nottediluna ist eine Cuvée aus Spergola, Malvasia di Candia und Moscato. Über 12 Monate wird der auf der Maische vergorene Wein in mittelgroßen Holzfässern ausgebaut und zählt mit seiner Aromatik, Frische und Komplexität sicher zu den spannendsten Orange-Weinen der Emilia. 

Der Le Brine d’aprile ist einer der extravagantesten Rotweine, den wir kennen. Der reinsortige Malbo Gentile ist leicht im Alkohol und hat eine beachtliche Frische. Vor allem aber beeindruckt er durch eine außergewöhnliche Aromatik. Neben kühler, rotbeeriger Frucht sind hier dermaßen viele Kräuter, bis hin zu Eibisch versammelt, wie wir es ansonsten noch in keinem Wein entdeckt haben. 

Ca’ de Noci zu besuchen, heißt, quasi Zeitgeschichte in Sachen Naturwein zu erfahren. Und noch viel mehr: großartige Weine kennenzulernen, die immer noch gültige Maßstäbe gelegt haben. Außerdem: irrsinnig liebenswerte und bescheidene Menschen zu treffen, die viel über die Kultur ihrer Region zu erzählen wissen. Diese genuine Erfahrung können wir nur schildern, nicht liefern. Den Wein der Brüder Masini aber schon.